Gemeinsam für den ERV

Es ist der 5. Oktober 2018. Lucas Kleider erinnert sich noch ganz genau an diesen Abend im Schweinfurter Icedome: Bayernliga-Debüt des 16-jährigen Nachwuchs-Verteidigers. Allein das ist nicht alltäglich. Dass das Eigengewächs des ERV Schweinfurt beim 5:4-Heimsieg gegen den ESC Geretsried allerdings mit seinem Papa Andreas in der zweiten Reihe aufs Eis geht, kann getrost als historische Zäsur im Schweinfurter Eishockey gelten. Denn das gab’s hier noch nie.

„Ich war da in der Kabine gesessen und hab gar nicht mehr gewusst, was ich machen soll. Aber auf dem Eis war’s dann geil.“ Lucas grinst, als er an einem windig-kühlen Januar-Nachmittag mit seinem Vater in der Kabine sitzt. Kabine? Wohnzimmer trifft’s eher. Denn dort sind die beiden zu Hause. Andreas Kleider schon länger – der Betriebselektroniker steckt mitten in seiner 20. Saison bei den Schweinfurtern, während es sich sein Filius gerade erst gemütlich macht. „Das hat Lucas natürlich auch unserem früheren Trainer Zdenek Vanc zu verdanken. Man braucht einen Trainer, der einem jungen Spieler auch das Vertrauen schenkt und auf ihn baut“, erklärt er.

Unter Vanc avancierte der Schüler, der Landmaschinenmechaniker werden will, zum Stamm-Verteidiger – für viele schneller als gedacht, auch wenn es für beide Kleiders noch nicht für die erste Reihe gereicht hat. „So gut bist du halt nicht.“ Rumms. Schon hat der Vater vom Sohnemann sein Fett weg bekommen. In dieser Hinsicht gleicht Lucas irgendwie seinem Großvater, dem früheren Fußball-Torhüter Norbert Kleider. Als Aktiver hat er’s selbst bis in die Bundesliga geschafft. „Der sagt mittlerweile, dass ich beim Eishockey bleiben soll, weil ich kein Fußball spielen kann.“ Andreas lacht. Früher war das nämlich anders. Sein Vater hätte aus dem heutigen Assistenz-Kapitän der Kugellagerstädter nämlich zu gern einen Kicker gemacht.

Eine Schnupperstunde beim ERV-Nachwuchs auf der damals noch nicht überdachten Eisfläche – und um den damals fünfjährigen Buben war’s geschehen. „Ich war damals jeden Donnerstag bei meiner Oma Inge und konnte zum Training. Norbert hat das erst gar nicht mitbekommen, weil er als Vorstandsfahrer bei Sachs gut beschäftigt war. Als es dann doch rauskam, war er nicht begeistert.“

Langsam, aber sicher freundete sich der heute 67-Jährige mit der Situation an. So sehr gar, dass der passionierte Busfahrer die Mighty Dogs zu Auswärtsspielen fährt, wenn es sein Terminplan zulässt. Fußbälle landeten somit also nicht mehr unterm Baum, als sein 2002 geborener Enkel älter wurde und ihm nach den ersten Versuchen auf dem Eis ein Schläger in die Hand gedrückt wurde. Natürlich vom Papa, der 2005 auch Jugendtrainer wurde – und es bis heute ist. „Prinzipiell war’s mir egal, welchen Sport er betreibt. Hauptsache war, dass es ein Mannschaftssport ist. Denn dort muss man sich einfach auch mal durchsetzen. Das ist etwas, was ein Kind meiner Meinung nach einfach braucht“, erklärt der „mittlere“ Kleider.

„Als Mitspieler faltet er mich genauso zusammen wie all die anderen im Kader.“, Lucas Kleider über seinen Vater Andreas

Dass das Durchsetzen auch im Bayernliga-Kader klappte, überrascht selbst die Kleiders noch immer, obwohl sich die Hauptrunde am Sonntag auch schon dem Ende zuneigt. „Hätte mir jemand zu Saisonbeginn gesagt, dass ich Stammspieler sein werde, dann hätte ich gesagt: ‚Das schaff ich nie! Die haben alle viel mehr Ahnung und sind viel größer’“, meint Lucas, der gar keine Probleme hat, dass ihn sein Vater stets begleitet hat. „Ich wollte gar keinen anderen Trainer mehr haben – und als Mitspieler faltet er mich genauso zusammen wie all die anderen im Kader.“

Das ändert sich dann auch erst wieder, wenn sie zu Hause bei der Familie sind. „Irgendwann will man ja auch seine Ruhe haben.“ Andreas grinst. Der 37 Jahre alte Routinier weiß, dass er dieses Wörtchen bald erst einmal aus seinem Wortschatz streichen kann. Denn nach einer Hauptrunde mit Höhen und Tiefen steht für die Mighty Dogs die Abstiegsrunde an. „Das werden noch einmal 14 ganz harte Spiele.“ Ob er danach noch aufs Eis gehen wird, lässt er offen. Schließlich müsse man ja auch mal den Jüngeren Platz machen. Trotzdem wird die Ära Kleider aller Voraussicht nach nicht enden: Lucas steht ja bereit – wenn auch ein bisschen früher als gedacht.

Quelle: Mainpost

Foto: Roland Körner